Schnäppchenjagd ist wie ein Kokainrausch

Schnäppchenjagd ist wie ein Kokainrausch

Di, 21. Nov. 2023

Ein Fernseher zum halben Preis, Satin-Bettwäsche mit 70 Prozent Rabatt oder ein Kleiderschrank für den kleinen Geldbeutel: Die Rabatttage rund um den Black Friday machen Schnäppchenjäger zu Raubtieren. Manchen Verbrauchern wird erst nach dem Kauf klar, dass sie viele Produkte eigentlich gar nicht brauchen. Und Prinzipien wie nachhaltiges Einkaufen werden im Kaufrausch oft vergessen.

Wissenschaftlerin Johanna Gollnhofer, Direktorin des Institut für Marketing an der Universität St. Gallen, erklärt wie folgt, warum das Gehirn bei der Jagd nach Sonderangeboten die Arbeit einstellt: "Rabatte aktivieren im Kopf der Konsumenten das Glückshormon Dopamin. Neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass dieser Effekt mit dem Konsum von Kokain vergleichbar ist." Mit anderen Worten: Wer ein Schnäppchen entdeckt, wird euphorisch und will sich durch den Kauf einen Vorteil verschaffen.

"Es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor - die Knappheit", sagt Gollnhofer. Schließlich sind die Angebote oft nur für wenige Tage, manche sogar nur am Black Friday oder Cyber Monday selbst, also für 24 Stunden, verfügbar. "Das führt dazu, dass die Konsumenten das Gefühl haben, dass sie es jetzt unbedingt haben müssen, weil sie sonst die Chance auf ein Schnäppchen verpassen."

Rabatt und Knappheit

Gollnhofer, der das Konsumverhalten erforscht, erklärt dies mit der Evolutionspsychologie: Weil es unseren Vorfahren oft an Wasser oder Nahrung mangelte, haben wir gelernt, sofort zuzugreifen und uns einzudecken, wenn wir können. "Knappheit macht Lust auf mehr", sagt die Forscherin.

Die kombinierte Wirkung von Rabatt und Verknappung ist so stark, dass manche Menschen beim Einkaufen während der Black Week ihre sonstigen Gewohnheiten über Bord werfen und keine Preise mehr vergleichen - obwohl die vermeintlichen Schnäppchen manchmal gar nicht unschlagbar billig sind, wie der Verbraucherschutz in einer Studie im vergangenen Jahr festgestellt hat. "Es gibt viele Menschen, die nicht mehr rational denken und Dinge kaufen, die sie nicht brauchen. Manche von ihnen belasten auch ihren Geldbeutel viel zu sehr", sagt Gollnhofer.

Und auch persönliche Grundsätze sind den Käufern im Kaufrausch plötzlich nicht mehr so wichtig. Der Gedanke der Nachhaltigkeit gerät in den Hintergrund, wenn ein Produkt vermeintlich unschlagbar günstig ist. "Und selbst Verbraucher, die sich eigentlich vorgenommen haben, weniger zu besitzen - Stichwort Minimalismus - kaufen an solchen Tagen manchmal ohnehin Unnötiges."

Kater nach Rauschzuständen

Wenn der Kaufrausch vorbei ist und die Leute merken, dass sie zu viel Geld ausgegeben oder Dinge gekauft haben, die sie nicht brauchen, geben viele das Gekaufte zurück. Laut dem Zustelldienst DPD hat die Schweiz mit 25% bereits die höchste Retourenquote in Europa, und diese ist nach dem Black Friday noch höher.

Obwohl viele Online-Shops und Geschäfte Rückgaben akzeptieren, gibt es in der Schweiz kein generelles Rückgaberecht. "Untersuchungen zeigen auch, dass der Wiederverkauf über eine Online-Plattform für viele Menschen zu zeitaufwändig und mit viel Aufwand verbunden ist. Wenn etwas also einmal im Haushalt ist, ist es sehr schwierig, es wieder loszuwerden", sagt Gollnhofer.

©Keystone/SDA

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