Rainer Skierka: Ich würde einen Schwarzen Schwan nicht ausschließen

Rainer Skierka: Ich würde einen Schwarzen Schwan nicht ausschließen

Mo., Feb. 19th 2024

In einem Interview mit Finews.ch erläutert der erfahrene Bankenanalyst Rainer Skierka seine Ansichten zur Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzsektor angesichts der CRE-Turbulenzen in den USA. 

Rainer Skierka (Bild: Research Partners)

Nachdruck mit Genehmigung von finews.ch

Finenews: Rainer Skierka, im vergangenen Jahr gerieten US-Regionalbanken wie die Silicon Valley Bank in große Schwierigkeiten und sorgten für Turbulenzen im Finanzsystem, die den Niedergang der Credit Suisse in der Schweiz beschleunigten. Jetzt macht die schwierige Lage auf dem Gewerbeimmobilienmarkt amerikanischen Instituten wie der New York Community erneut zu schaffen. Wie schätzen Sie dieses Mal die Ansteckungsgefahr ein?

RS: Grundsätzlich behaupten die Banken immer, dass es nie eine Ansteckungsgefahr gibt, obwohl man von systemischen Ansteckungsrisiken sprechen kann. Es gibt keine isolierten Betrachtungsweisen mehr, wie man auch bei der Privatbank Julius Bär und dem Signa-Debakel gesehen hat.

Zumindest derzeit ist das Ansteckungsrisiko geringer als während der Finanzkrise. Andererseits ist diese Krise in einem sehr regulierten Bereich entstanden, genauer gesagt auf dem New Yorker Immobilienmarkt, wo sich solche Risiken exponentiell entwickeln könnten.

Finenews: Wie groß wäre das US-Engagement der Schweizer Finanzindustrie, wenn die Turbulenzen auf andere Wirtschaftssektoren übergreifen würden?

RS: Offenbar hat die UBS-Tochter in den USA Kredite in Milliardenhöhe auf dem US-Gewerbeimmobilienmarkt ausstehend.


"Auch als Optimist muss man die realen Risiken berücksichtigen"


Diese wären jedoch durch entsprechende Sicherheiten gedeckt. Es wird interessant sein zu sehen, ob dies zu Fusionen führen wird, wie die Übernahme der amerikanischen First Republic Bank durch die Großbank J.P. Morgan im vergangenen Jahr.

Finenews: Als Bankanalyst haben Sie zahlreiche Krisen erlebt. Gibt es Parallelen zwischen der aktuellen Lage auf dem US-amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt und den Subprime-Hypotheken, die 2008 zur Finanzkrise führten?

Es gibt nur wenige Parallelen zur globalen Finanzkrise von 2008. Die Zinssituation ist, auch wenn die Zinsen gestiegen sind, viel besser als vor 15 Jahren. Was derzeit eine subtile Rolle spielen könnte, sind geopolitische Risiken.

Deshalb würde ich auch in diesem Fall einen "schwarzen Schwan" nicht ausschließen: Wo immer man nicht damit rechnet, entsteht ein großes Risiko. Auch als Optimist muss man die realen Risiken bedenken. Noch läuft die Wirtschaft. Aber wie lange kann sie in diesem Zustand verharren?

Finenews: Wie ist der Schweizer Finanzsektor dieses Mal aufgestellt?

Die Schweizer Finanzbranche steht nach dem Jahresabschluss 2023 hervorragend da. Dennoch sind rezessive Tendenzen spürbar, nicht nur auf dem Immobilienmarkt, sondern auch in den Unternehmensabschlüssen 2024 und 2025. Zudem ist die hiesige Finanzindustrie durchaus verwundbar.


"Das Kerngeschäft einer Kantonalbank ist weit entfernt von internationalen Finanzierungen"


(Keystone/SDA - Peter Morgan)

Es besteht ein besonders hohes Reputationsrisiko, wie sich bei Julius Bär gezeigt hat. Doch zum Glück für die Banken folgt der Schweizer Immobilienmarkt seinen eigenen Regeln. Wie eine Teflonpfanne perlt alles an ihm ab. Die Nachfrage nach Immobilien in der Schweiz ist nach wie vor sehr hoch.

Finenews: Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt beispielsweise hat derzeit ebenfalls mit Herausforderungen zu kämpfen. Werden diese am Ende die Turbulenzen in den fernen USA aufwiegen?

RS: Ich denke, wir sollten in der Zwischenzeit ein eigenes Kapitel für Deutschland aufschlagen. Das Land hat viele hausgemachte Probleme, die es nicht braucht. Politisch hat man alles getan, um alles zu verhindern, auch die Einführung von Mietobergrenzen. Das fördert die Situation nicht.

FinenewsMehrere Schweizer Banken sind ebenfalls von den Signa-Insolvenzen betroffen, allen voran Julius Bär, aber auch kleine Kantonalbanken wie WKB und OKB. Sind die einheimischen Banken bei ihren Finanzierungen nun internationaler ausgerichtet, als man es erwarten würde?

Das Kerngeschäft einer Kantonalbank ist weit entfernt von internationalen Finanzierungen. Dennoch ist diese seltsame Situation entstanden, und insbesondere Julius Bär hat ihren Ruf und den Nimbus einer reinen Privatbank beschädigt. Im Signa-Debakel behaupteten verschiedene Kantonalbanken, sie dürften aus verschiedenen rechtlichen Gründen keine Details über bestehende Kundenbeziehungen offenlegen. Das hat den Anlegern auch nicht geholfen.


Rainer Skierka ist seit über 30 Jahren in der internationalen Finanzbranche tätig. Er arbeitete 9 Jahre lang als Finanzanalyst bei der Privatbank J. Safra Sarasin. In seinem "aktiven Ruhestand" arbeitet er weiterhin als Analyst bei Forschungspartner und ist für den Finanzdienstleistungssektor zuständig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel und bildete sich an der Northwestern University (Kellogg School) in Chicago weiter.

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