Aufführung des "Blutbuchs" in Wien seziert die Sprache
Published: Saturday, Apr 27th 2024, 07:30
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Regisseur Paul Spittler hat das "Blutbuch" von Kim de l'Horizon auf die Bühne des Wiener Theaters gebracht. Er lässt den Text, der unter anderem mit dem Deutschen und Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde, als solchen stehen und seziert seine Sprache.
Letztlich ist die Bühne "Blutbuch" eine aufwändige szenische Lesung des Werks des Berner Schriftstellers de l'Horizon. Die zentralen Merkmale des vielschichtigen Textes werden auf die Bühne gebracht.
Die professionelle Deklamation verdeutlicht einige der Fallstricke des ständig krampfhaften Gebärens von Worten für die eigene Realität. Die Komplexität des Romans wird nicht reduziert, sondern seine Vielstimmigkeit wird gefeiert.
Für die Uraufführung auf einer österreichischen Bühne hat Spittler fünf Personen mit unterschiedlichem Hintergrund gecastet. Sie nähern sich den Sprachkaskaden von Kim de L'Horizon sowohl als Gruppe als auch als Individuen. Geschlechtszuweisungen werden vermieden, ebenso wie im Buch des nicht-binären, erzählenden Ichs Kim.
Einige der fünf Kims kommen aus der Performance-Szene, einige sind Schauspieler und einige, wie Jchj V. Dussell, sind selbst Schriftsteller. Sie erzählen der Großmutter, die nicht physisch anwesend ist, die Reflexionen eines ehemaligen Kindes über das Frausein, das Mannsein und das Menschsein, das generationenübergreifende Erbe und das Hineinfinden in den eigenen Körper.
Rote Wollfäden ziehen sich als roter Faden durch die Inszenierung und stehen für die Verbindung und Verstrickung miteinander. Decken sind Schutz und Bedeckung, aber auch ein Symbol für das Verdecken von Konflikten.
Sprachliche Eigenheiten bleiben
Niemand übernimmt auf der Bühne eine feste Rolle. Alle Anwesenden sind alles, mal im Wechsel, mal im Einklang. Und doch ist der Abend keine Jelineksche Textcollage, sondern hält sich sklavisch an den chronologischen Ablauf des Buches. Die fünf, sprachlich zum Teil sehr unterschiedlichen Kapitel sind sich selbst überlassen.
Man darf nun gespannt sein, wie die Wiener Festwochen am 18. Mai mit dem "Blutbuch" umgehen. Die deutsche Regisseurin Leonie Böhm wird dann am Volkstheater ihre Interpretation präsentieren, die im Februar in Zürich uraufgeführt wurde. Neben ihr wird Kim de l'Horizon selbst auf der Bühne stehen, wenn das Original in ein "Blutspiel" verwandelt wird.
©Keystone/SDA